von Daniel Bracher, Ariane Wurmnig, Tim Pauli und Julia Stöllinger
03.09.2018
Niederelbenhütte Tirol
“Die Natur zu erleben und die Differenz zu sehen, zwischen bewirtschafteter und unberührter Natur. Denn die Welt sieht aus wie eine große Farm. Nur mehr 7 % Österreichs sind weitgehend naturbelassene Landschaften.” Tims Gedanken in der Kennenlernrunde der Wanderung. 20 Stunden später stehen wir am Kappler Kopf und sehen linker Hand, von 2.404 Metern auf die gerade durchschrittenen Bergwiesen zurück.
Das was Alpensalamander, Murmeltier und Enzian ihr Zuhause nennen. Rechter Hand sehen wir leergefegte Hänge, zurückgebliebene Opfer des Schitourismus. Nichts regt sich, alles kläglich. Doch wir sind noch beweglich und gehen ewig. Oder doch nicht. Die warme Hütte wartet bereits.
Und während wir uns auf den letzten Schritten wähnen, schwingen uns noch die abenteuerlichen Erzählungen unseres Wilderness-Guides Bernd mit: Grashüpfer-Sex, Blickrichtung der Gams anhand ihrer Fußspuren feststellen, Brennnessel – der ultimative Survival-Snack
04.09.2018
19.11.2015, die Tiroler Landesregierung gibt grünes Licht für den Zusammenschluss der Schigebiete Dias Alpe und Rendi Alpe St. Anton. Ein Projekt, das die unberührte Natur des Malfontals nachhaltig schädigen würde und stellvertretend für viele weitere Vorhaben in den Alpen steht.
Nun standen wir da, umgeben von Skiliften, Hütten und Bergstraßen, welche die Landschaft zerschneiden. Eine Infrastruktur, die so eigentlich gar nicht zu unseren Vorstellungen eines idyllischen Alpenraumes passen. Die Vegetation, um den Anforderungen einer solch stark beanspruchten Piste zu entsprechen, eintönig und wilde Tiere weit und breit nicht zu finden. Die Stimmung in diesem Areal erinnert eher an eine verlassene als an eine alpine Landschaft, die eigentlich voller Leben sein sollte. Auch unsere Gespräche änderten sich und wir starteten eine intensive Diskussion über unser egoistisches Verhalten und über positive Beispiele für gesellschaftlichen Wandel.
Als wir dann den höchsten Punkt unserer Wanderung, die Schmalzgruben-Scharte (2.697) erreichten, erschloss sich vor uns das Malfontal in seiner vollen Schönheit. Ein paar Schritte weiter entdeckten wir dann einen Steinbock mit seiner Familie. Als dann auch noch ein Steinadler majestätisch über uns hinweg segelte, war uns allen klar, warum wir für die Seele der Alpen kämpfen müssen!!
05.09.2018
„Es reicht.“ Wir, die 11-köpfige Gruppe von Generation Earthlern, heben die Fäuste. „Es reicht“. Noch ein Foto, Hände unten, doch die Mimik zeigt dasselbe: Wir sind hier, um die weitere Verbauung unberührter Naturtäler Österreichs zu stoppen! Stolz blickt das Malfontal auf uns herab, während wir unser Rettet-die-Seele-der-Alpen-Plakat hochhalten.
Als wir vor ein paar Stunden aufgestanden waren, wussten wir wenig von unserem Glück – mit klammen Zehen und Fingern stellen wir uns noch kurz vor dem 8-Uhr-Abmarsch für ein paar Gemeinschaftsfotos auf. Dann fällt der Blick auf das vor und unter uns liegende Ziel: das hintere Malfontal.
Durch seine Eigenschaft als verstecktes Naturjuwel sich nur der Wanderin und dem Wanderer ab einer bestimmten Höhe zu zeigen, grasen Pferde hier unbekümmert ohne Zäune neben kristallklaren Bächen, die von den schroffen Spitzen herunterfließen. Als wir dann dort ankommen, merken wir es sofort: nichts. Hier das Rauschen des Baches, dort das Gezwitscher der Wasseramsel, ansonsten kein Ton. Wir genießen die Ruhe, die auch eine der wichtigsten Faktoren für alle natürlichen Bewohner des Malfontals darstellt. Kein Herumgeschreie, kein Rasenmäherlärm, kein LKW-Dröhnen, kein Motorengeräusch. Stille Verbundenheit mit der Natur. Ganz anders als wir dann die letzten Schritte 1.300m tiefer am Ende des vorderen Malfontals in Richtung Pettneu am Arlberg tun. Herzliche Umarmungen und Händeklatschen. Die Energie der Gruppe spiegelt die wunderschönen Erlebnisse der Wanderung der letzten Tage wider. Doch im Hintergrund schwingt es trotzdem mit: der ständige Lärm der verbauten Täler. Dennoch hat es auch etwas Schönes: Man erinnert sich immer wieder wofür es sich zu kämpfen lohnt. Wofür wir weiterhin unsere Fäuste heben werden: denn es reicht!